KIG – Die kieferorthopädischen Indikationsgruppen

Vor dem Jahre 2002 wurden medizinisch notwendige kieferorthopädische Behandlungen von den gesetzlichen Krankenversicherungen übernommen, wenn der Patient zu Beginn der Behandlung das 18. Lebesjahr nicht vollendet hatte. Mit den neuen „Kieferorthopädischen Indikationsgruppen“ – kurz KIG änderte sich das.

Seit dem 1. Januar 2002 gelten die KIG. Mit diesen Regeln wird sichergestellt, dass die Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) nur noch für die Behandlung solcher Zahn- und Kieferfehlstellungen aufkommen dürfen, die das Atmen, Beißen, Kauen und Sprechen erheblich beeinträchtigen oder zu beeinträchtigen drohen. Das bedeutet: Fehlstellungen mit geringem Schweregrad – obwohl eine Behandlung auch hier medizinisch notwendig ist – müssen von den Patienten privat bezahlt werden.

Die gesetzliche Krankenversicherung kommt also nur noch bei schweren Anomalien für die Behandlung auf. Zu diesem Zweck wurden die einzelnen  Indikationsgruppen in fünf „Schweregrade“ unterteilt. Nur Fehlstellungen 3., 4. und 5. Grades werden noch von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bezahlt. Hierbei reicht es aus, dass der Patient in einer Befundgruppe einen Schweregrad >2 erreicht. Fällt die Fehlstellung des Patienten in verschiedene Befundgruppen, zählt diejenige mit der stärksten Ausprägung.

Kosten für Behandlungen der Grade 1 und 2 dürfen von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht übernommen werden; stellen jedoch häufig dennopch eine medizinische Notwendigkeit zur kieferorthopädischen Behandlung dar. In diesem Falle wird eine Behandlung mittels privatem Behandlungsvertrag zwischen Patient/Eltern und Kieferorthopäde durchgeführt, der Patient – bzw. dessen Eltern – müssen die Behandlung komplett bezahlen. Helfen kann in diesem Fall eine private Zahn-Zusatz-Versicherung, wie sie mittlerweile von verschiedenen Anbietern auf dem Markt sind.

Wie sind die einzelnen Fehlstellungen eingeteilt? – Die KIG im Überblick

Indikationsgruppen
(Befunde)
Grad 1 2 3 4 5
Kraniofaziale Anomalien A  –  –  –  – Lippen-Kiefer-Gaumenspalte bzw. andere kraniofaziale Anomalie
Zahnunterzahl
(Aplasie oder Zahnverlust)
(ohne Weisheitszähne)
U  –  –  – Unterzahl (nur wenn präprothetische Kieferorthopädie oder kieferorthopädischer Lückenschluß indiziert)
Durchbruchstörungen S  –  –  – Retention
(außer 8er)
Verlagerung
(außer 8er)
Sagittale Stufe distal D bis 3 mm über 3 mm,
bis 6 mm
 – über 6 mm,
bis 9 mm
über 9 mm
mesial M  –  –  – 0 bis 3 mm über 3 mm
Vertikale Stufe offen (auch seitlich) O bis 1 mm über 1 mm,
bis 2 mm
über 2 mm,
bis 4 mm
über 4 mm
habituell offen
über 4 mm
skelettal offen
tief T über 1 mm,
bis 3 mm
über 3 mm ohne/mit Gingivakontakt über 3 mm mit traumatischem Gingivakontakt  –  –
Transversale Abweichung B  –  –  – Bukkal-/Lingual-okklusion  –
K  – Kopfbiss beidseitiger Kreuzbiss einseitiger Kreuzbiss  –
Kontaktpunktabweichung
Engstand
E unter 1 mm über 1 mm,
bis 3 mm
über 3 mm,
bis 5 mm
über 5 mm  –
Platzmangel P  – bis 3 mm über 3 mm,
bis 4 mm
über 4 mm  –

Die einzelnen Indikationsgruppen und ihre Erklärung

Gruppe Erklärung
A Entwicklungsstörungen des Kopfbereiches sind und bleiben im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen.
U Zahnunterzahlen – also das Fehlen von Zähnen aufgrund einer Nichtanlage oder bei Verlust nach Unfall- sind im Leistungskatalog der GKV, wenn ein Lückenschluss notwendig ist oder eine kieferorthopädische Behandlung vor der prothetischen Versorgung nötig ist.
S Bei Zahndurchbruchsstörungen wird eine kieferorthopädische Behandlung von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen – mit Ausnahme von Durchbruchsstörungen der Weisheitszähne.
D Eine Therapie distaler Bisslagen (also z.B. die Rücklage des Unterkiefers) ist nur noch dann eine Kassenleistung, wenn die Rückverlagerung mehr als 6 mm beträgt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass schon eine Rücklage ab 3 mm in der Regel aus funktionellen Gründen therapiert werden muss. Diese „leichte Ausprägung“ einer Fehlstellung muss jedoch privat gezahlt werden.
M Mesiale Bisslagen (z.B. ein vorstehender Unterkiefer oder umgekehrte Frontzahnüberbisse) bleiben im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen.
O Der offene Biss, welcher auch bei geringerer Ausprägung behandlungsbedürftig ist – ist erst ab einer Ausprägung von 2 mm oder mehr im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen enthalten. Bei geringer Ausprägung muss die Behandlung privat finanziert werden.
T Tiefbissfälle werden nur noch dann auf Kosten der GKV therapiert, wenn es zu einem traumatischen (d.h. verletzenden) Einbiss der unteren Frontzähne in die Gaumenschleimhaut kommt! Geringere Ausprägungen, welche auch behandelt werden müssen, sind Privatleistung.
B Die Behandlung von Bukkal- oder Lingualokklusion, d.h. dem „Vorbeibeißen“ von Seitenzähnen, bleibt im Leistungskatalog der GKV.
K Bei Abweichungen der Kieferbreiten kommt die gesetzliche Krankenkasse nur dann für die Therapie auf, wenn bereits eine Kreuzbißsituation herrscht. Eine – unbedingt notwendige – Korrektur des Kopfbisses ist Privatleistung.
E Die Behandlung von Kontaktpunktabweichungen (z.B. bei Engstand) werden ab einer Ausprägung von >3 mm von den gesetzlichen Krankenversicherungen übernommen.
P Bei Platzmangelsituationen muss der Platzmangel > 3mm betragen, damit die kieferorthopädische Behandlung von den gesetzlichen Krankenversicherungen übernommen wird.

Mit Hilfe dieser Indikationsgruppen sollen die Ausgaben der Krankenkassen für kieferorthopädische Behandlungen um bis zu 25% gesenkt werden. Tatsächlich ist es jedoch so, dass z.T. medizinisch notwendige Behandlungen von Kindern und Jugendlichen durch die Krankenkasse nicht mehr gezahlt werden dürfen.

Die gesetzlichen Krankenversicherungen können an der Situation nichts ändern, da der Gesetzgeber die KIG in seinen Richtlinien verbindlich festgeschrieben hat. Die Leidtragenden sind in jedem Fall die Kinder, die eine behandlungsbedürftige Fehlstellung aufweisen, welche jedoch nicht „Grad 3“ erreicht.